Spannungsbogen? Brauch ich nicht. Ich haue mein bestes Stück einfach direkt raus: der Quiraing. Sahnestückchen! Mein liebster Ort auf der Insel, wenn ich mich entscheiden müsste. Muss ich aber zum Glück ja nicht. Dank Instagram stand der Quiraing ganz oben auf meiner To-Do-Liste für die Isle of Skye.
Der Quiraing
Der Quiraing ist eine geologische Formation, die durch diverse Vorkommnisse und Bewegungen seit vielen zehntausend Jahren zu dem geworden ist, was sie heute ist: ein Gebiet mit beeindruckenden und surrealen Abbruchkanten, Formationen und Felsstrukturen.
Als wir nach einer 15 minütigen Fahrt vom Bed & Breakfast aus über eine kurvige Single-Track-Road den Parkplatz erreichen, ist er brechend voll. Zwischen den Autos, Wohnmobilen und Kleinbussen ist kein Platz zu finden und auch etwas weiter sind die Straßenränder bereits vollgeparkt. Ein Fahrrad hätte dort mit etwas Glück noch hingepasst. Wir stellen das Auto also an der nächsten freien Stelle ab und gehen noch einen Kilometer zum Startpunkt unserer 7km langen Wanderung… Zum Glück hat man bereits wenige hundert Meter vom (eigentlichen) Parkplatz entfernt einen beeindruckenden Ausblick, der die schlechte Laune augenblicklich wieder hebt. Hallo du nettes Fleckchen Erde!
Die Quiraing-Wanderung
Wir machen uns also auf den Weg. Ich drängle wie immer ein bisschen, weil ich es nicht erwarten kann und mein Freund sagt “Ja, gleich”. Alles wie immer also ;) Wenn ich von mir Zuhause bis in die Innenstadt gehe, sind das etwa 2km. Bisschen shoppen und wieder zurück, da kommste auch locker auf die 7km. Soweit meine Theorie. Dass durch den Quiraing keine graden, norddeutschen Asphaltstraßen führen und die Route als eher “difficult” eingestuft ist, ignoriere ich einfach gekonnt. Wir haben doch Zeit.
Am Anfang werden wir noch von vielen Leuten vor und hinter uns begleitet, aber zum Glück verläuft sich das mit der Zeit. Selbstverständlich haben wir Planungsfreaks uns vorher diverse Routenbeschreibungen und Erfahrungsberichte durchgelesen und alle sprachen von dieser einen Stelle, bei der “Oh, ach ja, da gibt es eine kleine Felsspalte, die man überwinden muss, aber sonst ist der Weg ganz easy”. Niemand hat das genauer beschrieben. Das war echt nicht nett, ich hab mir vorher fast in die Hosen gemacht. Am Ende war es aber tatsächlich nicht schlimm und nur mit etwas Vorsicht verbunden, dass man nicht auf lose Steine tritt (Bild rechts).
Und immer mal nach hinten schauen, nicht dass man was verpasst… Ich glaube ich muss nicht erwähnen, dass wir wesentlich länger für die gesamte Strecke brauchten, als angegeben.
Wir kommen vorbei an Felsformationen mit Namen wie “The Needle”…
…und “The Prison”. Und wir keuchen auch schon ein wenig, weil es kurzzeitig über loses Geröll ziemlich steil nach oben geht.
Kurz bevor der Weg um die Ecke in einen Tal-Abschnitt führt, entdecke ich noch einen nett drapierten Wanderer als Fotomotiv.
Wir durchwandern also als nächstes das Tal und ich ahne noch nicht, dass dieser feucht-matschige Wiesenboden mich noch etwas länger begleiten wird. Es gibt hier keine richtigen Wege, sondern nur mehrere, labyrinthartige ausgelatschte Pfade. An vielen Stellen sind sie so matschig, dass man lieber einen Meter weiter über einen Grashügel läuft. Der auch feucht ist. Endlich werden meine “Walking-Schuhe” mal so richtig gefordert.
Die Isle of Skye hat uns Tag für Tag sehr stürmisch empfangen, weshalb wir keine einzige nennenswerte Begegnung mit Midges, den kleinen fiesen Beiß-Mücken, hatten. Danke dafür. (Selbstverständlich hätte ich sogar Midges-Hutnetze dabei gehabt. Planungsfreak. Allerdings habe ich sie jeden verdammten Tag im Koffer im B&B vergessen…)
Am Ende des Tals geht es plötzlich ziemlich steil nach oben und wir keuchen schon wieder. Wir überholen zwei ältere Leute, die noch langsamer sind als wir und ich frage mich noch heute manchmal, wielange sie wohl am Ende gebraucht haben. Oben angekommen müssen wir über einen Zaun steigen, der freundlicherweise mit einer kleinen Holzstufe ausgestattet ist. Vorher brauche ich eine kurze Pause. Und dann, tja dann… Dann verlangt die Wanderroute von uns einen U-Turn, um die zweite Hälfte der Strecke oben auf dem Quiraing wieder zurückzugehen. Wir lachen hysterisch. Denn “oben” bedeutet noch ein Stückchen höher. Also schleppen wir uns den sehr nass-matschigen Berg hinauf. Das GPS erzählt uns hinterher etwas von 580m Höhengewinn, die wir insgesamt überwunden haben. In Norddeutschland kennen wir das Wort Höhengewinn nicht. Hier gehts nur gradeaus.
Zwischendurch gucken wir auf das Tal herunter, aus dem wir gekommen sind, bemitleiden die Leute, die sich noch am Anfang des Aufstieges befinden und verachten diejenigen, die an uns vorbeihechten, als wäre es ein sportlicher Wettbewerb. Kurz bevor ich ausrutsche und in den Matsch falle, machen wir eine Mittagspause mit Brot, Käse und Spam. Bereits vor der Reise hatte ich von der Weisheit “Everybody gets muddy on Skye” gelesen. #truestory
Von oben sehen wir auch “The Table”, eine ebene Grasfläche von der Größe eines Fußballfeldes. Sie ist nur von hier oben einsehbar und soll im Mittelalter dazu genutzt worden sein, dort Herden in Schutz vor Plünderern zu bringen.
Nachdem wir den höhsten Punkt erklommen haben, sind wir froh und glücklich. Wir lassen uns erstmal durchpusten und freuen uns über die schöne Aussicht.
Ein paar hundert Meter weiter wird uns bewusst, dass nach Berg hoch Berg runter kommt. Wir verzweifeln kurzzeitig und fragen das GPS, ob das hier wirklich der richtige Weg sein soll. “Weg”. Es gibt keinen Weg. Es gibt einen steilen, matschigen Abhang. Wir brauchen ewig. Durch das steile, schräge Abwärtsgehen tun mir unheimlich die Knie und noch viel mehr die Knöchel weh. Aber wo man hochkriecht, muss man ja auch wieder runter. Die Alternative wäre gewesen, hier zu sterben. Ok, das ist vielleicht etwas übertrieben. Obwohl. Nein ist es nicht. Dies war der richtige Moment, um sich über die kleine Felsspalte vom Anfang lustig zu machen.
Nachdem zuerst ich in ein so nicht einsehbares Matschloch trat und bis zum Knöchel darin versank, sprang mein Freund kurze Zeit später von etwa 50cm Höhe in eben so ein Matschloch und verschwand förmlich darin. Ich fragte ihn (nachdem ich fertig gelacht hatte) wieso er das getan hat und er antwortete (Stunden später), dass er sonst den Berg heruntergefallen wäre. Ich denke das kann man als Grund gelten lassen. Die Glaubwürdig sei dahingestellt. Hin und wieder wurden wir von teilweise sehr schnell gehenden und zielsicher über die größten Matschlöcher hüpfenden Menschen (wie zum Teufel machen die das?!) überholt, aber irgendwann hatten auch wir wieder ebenerdigen Asphalt unter den Füßen.
Nochmal ein Blick zurück zu diesem Monstrum an Matschhaufen und dann nur noch einen Kilometer über angenehm asphaltierte Straßen zurück zum Auto… Insgesamt brauchten wir 5 Stunden.
Was wohl aus dem älteren Ehepaar geworden ist?
Empfehlenswerte Links
- Wegbeschreibung auf isleofskye.com
- Wegbeschreibung auf walkhighlands.co.uk (Diese Strecke führt allerdings genau andersrum.)